„Mein Sohn hasst das Windelnwechseln einfach.“ Diesen schockierenden Satz schrieb mir Sonja, als ich in meinem Newsletter die Frage stellte, wo euer größtes Problem mit Stoffwindeln liegt. Ihre Antwort ging mir sehr zu Herzen – auch weil ich selbst mit meinem Sohn Ähnliches erlebt habe.
Meinen so einfachen wie überraschenden Ratschlag, die Windeln einfach wegzulassen, setzte Sonja nach kurzer Zeit in die Tat um. Ihr inspirierender Erfahrungsbericht zum Töpfchentraining mit ihrem 18 Monate alten Sohn zeigt, dass Trockenwerden gar nicht so kompliziert ist. Denn oft sind die Kinder schon lange bereit dazu – und warten darauf, dass auch wir Eltern uns diesen Schritt zutrauen. Nur Mut!
1. Sonjas Kind hasst Windelnwechseln
Sonja, was genau ist das Problem?
Puh, das war eine harte E-Mail. Sonja und ihr Kleiner taten mir von Herzen leid. Besonders gut konnte ich ihre Nachricht mitfühlen, weil ich das Problem selbst kannte:Ich habe lange überlegt, was mein größtes Stoffwindelproblem ist bzw. ob ich überhaupt eines habe. Ich wickle mit Stoff, seit wir vom Krankenhaus nach Hause gekommen sind. In diesen 16 Monaten gab es ab und zu mal Unsicherheiten. Nicht immer war alles perfekt.
Aber mein einziges Problem ist das Windelwechseln selbst. Mein Sohn hasst es einfach, seine Windel zu wechseln.
Umziehen im Stehen ist zwar mühsam, aber kein Theater. Nur, so kann ich ihn nicht abwischen und die Windel nicht ordentlich anlegen.
Ich habe alles so liebevoll eingerichtet und alles Mögliche versucht, um ihn zu unterhalten. Doch nichts hilft. Als er ein kleines Baby war, hat er nur hilflos gebrüllt. Je älter und kräftiger er wird, umso mehr wehrt er sich. Jetzt schreit er wie am Spieß, sobald er merkt, dass ich ihn hinlegen will. Jedes Windelnwechseln fühlt sich wie Wrestling an.
Ich bin von meinen Stoffwindeln begeistert, empfehle sie allen, die zuhören wollen. Ich liebe es, sie zu waschen, aufzuhängen und zusammenzulegen, darüber zu recherchieren und neue Muster zu entdecken. Aber wenn ich sie benutze, bin ich traurig, frustriert und enttäuscht.
Ich fürchte, da kannst du mir nicht helfen … Aber danke fürs Zuhören.
Ganz liebe Grüße aus Wien
Sonja
Sonja nahm meine Antwort mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf:Ich selbst musste wenige Monate vorher Ähnliches erleben. Das ist mein „geheimer“ Trick, der für mich und meinen Sohn die Welt veränderte:
Mit 18 Monaten haben wir die Windeln einfach weggelassen. Ich war so aufgeregt! Aber was soll ich sagen: Nach 7 Tagen hatten wir keine Unfälle mehr.
Klar, ab und an, gerade wenn er krank war, gab es mal wieder eine nasse Hose. Aber eine Hose zu wechseln ist für meinen Sohn viel erträglicher als der Windelwechsel. Und außerdem: Früher mussten wir 5 Mal am Tag Windeln wechseln. Da ist alle paar Wochen eine nasse Hose nichts dagegen.
Wieder konnte ich mich gut in Sonjas Situation hineinfühlen, denn auch ich hatte erst gemischte Gefühle beim Weglassen der Windeln:Danke, dass du dir die Mühe gemacht hast, dich mit meinem Problem zu beschäftigen, um mir zu antworten. Eigentlich wollte ich gar nicht hören, dass das Trockenwerden die Lösung ist. Ich habe nämlich noch Stoffwindeln auf dem Postweg!
Mein Sohn ist inzwischen 17 Monate alt und es gibt tatsächlich einige Anzeichen, dass er bereit wäre fürs Töpfchen. Nur die Mama ist es nicht. :D
Als er heute Morgen mal wieder beim Windelwechseln gebrüllt hat, habe ich ihn gefragt, ob er Pipi machen möchte. (Er hat das genau verstanden, weil es ihm gestern vor dem Baden auf den Boden gelaufen ist.)
Das erste Mal in seinem Leben habe ich ihm das Töpfchen angeboten. Ich habe fast ein Herzschlag bekommen, als tatsächlich etwas hineinging.
Gibt's eine Fernbedienung, wo man auf Pause drücken kann, damit die Babys nicht so schnell größer werden? Echt nicht? Hat noch niemand erfunden? Schade.
Ganz liebe Grüße
Sonja
Weißt du was? 5 Tage, bevor ich gesagt habe „Jetzt muss ich wirklich die Windel weglassen“, habe ich zwei wuuuuuunderschöne Stoffwindeln gekauft. Als Ersatz habe ich ein paar hübsche Unterhosen gekauft, die ich dann meinem Sohn angezogen habe.
Wichtig zu wissen: Tag 2 und Tag 3 werden hart. Du willst schreien und weinen und aufhören und dann wird's auf einmal besser. Wirklich! Ich drück dir die Daumen und bin in Gedanken bei dir und deinem Sohn.
Liebe Grüße
Julia
2. Sonjas Erfahrungsbericht: mit 18 Monaten die Windeln weglassen
Nach einigen Monaten ist eine schöne Überraschung in mein E-Mail-Postfach geflattert. Darin erzählte Sonja mir, wie es gelaufen ist:
a) Die Zweifel: Ist Windeln weglassen wirklich das Richtige?
Hallo Julia!
Ich möchte dir berichten, wie es uns mit dem Trockenwerden ergangen ist. Danke für die Beratung!
Nachdem ich Bücher zum Thema „Tschüss, Windel!“ gelesen hatte, habe ich nach zwei Wochen wieder Abstand vom Trockenwerden genommen. Ehrlich gesagt, bekam ich leichte Panikattacken bei dem Gedanken, dass es bald losgeht. Meine Einstellung war ungefähr so:
- Das wird zu viel Arbeit für mich. Ich bin chronisch überfordert. Mehr schaffe ich nicht.
- Ich werde mich wie eine Versagerin fühlen, wenn er zum zehnten Mal in die Hose macht. Und die Kommentare will ich mir auch nicht anhören müssen.
- Was mache ich unterwegs? Ich setze mein Baby ganz sicher niemals auf eine öffentliche Toilette. Und es ist Februar, draußen ausziehen ist also bei der Kälte auch keine Option.
- Ich habe ein ganzes Vermögen in Stoffwindeln investiert. Er muss sie mindestens zweieinhalb Jahre tragen, damit sich das auszahlt :-P
Anderseits wurde mir jeden Tag mehr und mehr klar, dass er bereit ist für diesen Schritt in die Selbstständigkeit. Und wieder fühlte ich mich schlecht, weil es meine Aufgabe ist, ihn zu fördern und unterstützen (und nicht, ihn in eine Windel zu zwängen). Also listete ich die Dinge auf, die er schon gemeistert hat – und das machte mich stolz und neugierig, wie es weitergeht:
- Er versteckt sich oder geht in einen anderen Raum, wenn er groß in die Windel macht.
- Er klammert sich an meine Beine, wenn die Windel voll ist. Das macht er sonst nie.
- Wenn er nackt herumläuft und zufällig sein kleines Geschäft macht, schaut er verwundert hin, kann den Harnstrahl kurz unterbrechen und schaut zu mir mit „diesem Blick“.
- Er zieht sich allein aus und versucht sich anzuziehen, soweit er kann.
- …
b) Vorarbeit: die vorbereitete Umgebung
Am Abend, bevor es losgehen soll – er wird genau 18 Monate alt –, muss ich noch mal die Zähne zusammenbeißen, um nicht aufzugeben. Ich halte nicht viel von den Trainers, also habe ich keine besorgt. Da ich beschlossen habe, ihm für den Mittagsschlaf und die Nacht die Windel anzulassen, brauche ich vorerst keinen Matratzenschutz.
Für die ersten Tage nehme ich mir vor, nicht nur die Windel, sondern auch die Hose wegzulassen, damit wir beide schneller lernen, wann er aufs Töpfchen muss. Damit er nicht friert, habe ich noch zwei Paar süße Babylegs besorgt. Für die Zeit danach werde ich ihm nur die Hose anziehen – ohne Unterhose –, um Rückfälle zu vermeiden. Denn die Unterhose fühlt sich fast wie eine Stoffwindel an. Dafür habe ich alle Hosen, die ich finden konnte, bereitgestellt, auch zu klein gewordene und zu große, insgesamt 10 Stück.
Ich wasche sowieso jeden Tag, aber werden die 10 Hosen reichen? Will ich es wirklich durchziehen?
c) Der erste Tage ohne Windel: unten ohne
Mein Kleiner lässt mich netterweise länger schlafen, als ob er weiß, dass heute ein großer Tag ist und die Mama gute Nerven braucht. Er ist überglücklich, als ich ihm die schwere Windel ausziehe und sage, dass er keine mehr braucht, weil er ein großer Junge ist und in das Töpfchen macht. Versteht er das?
Er spielt in seinem Zimmer. Er hat zwei Langarm-Shirts, keine Windel und keine Hose, nur Babylegs und Socken an. Ich sitze neben ihm und beobachte ihn (möglichst unauffällig). Ich habe ein paar Mikrofaser-Putztücher zur Hand und neben mir steht ein uraltes Töpfchen von Ikea. Heute gibt's keine Ablenkung, kein Handy, keinen Besuch, kein Buch, keine Hausarbeit.
Der Blick: Irgendwann merke ich „diesen Blick“, er lässt ein paar Tropfen auf den Boden und ich setze ihn blitzschnell auf das Töpfchen. Während er uriniert, mache ich „ssssssssss“, um seine Aufmerksamkeit auf das Pipi-Geräusch zu lenken.
Danach helfe ich ihm beim Aufstehen. Alles ging so schnell, dass er sehr skeptisch ist und gar nicht weiß, was er davon halten soll. Ich lache vor Erleichterung und zeige ihm fröhlich, was er gemacht hat. Er schmunzelt und spielt weiter. Beim nächsten Mal passiert das Gleiche, nur springt er diesmal lachend vom Töpfchen auf und klatscht, weil er weiß, dass er etwas geschafft hat.
Bald ist der Vormittag vorbei und zum Schlafen lege ich ihm eine Windel an. Zum ersten Mal in seinem Leben lässt er das zu. Ich bin schockiert.
Nach dem Schlaf freut er sich, dass die nasse Windel weg ist, und spielt wieder nackt neben mir. Wenn er in einen anderen Raum geht, gehe ich ihm nach. Nach dem kleinen Geschäft habe ich kurz Zeit, etwas zu erledigen, ohne die Augen ständig auf ihm zu haben. Er muss ungefähr jede Stunde aufs Töpfchen – am Abend etwas öfter.
d) Das erste große Geschäft im Töpfchen
Normalerweise macht er alle drei Tage groß in die Windel, und gerade heute ist es wieder Zeit. Ich merke nichts – bis er aufsteht und sein Geschäft sieht. Und das gefällt ihm gar nicht. Er bekommt Angst, schüttelt den Kopf, läuft weg, ist aber noch nicht fertig. Der flüssige Muttermilchstuhl rinnt ihm die Babylegs hinunter und er schreit wie am Spieß. Darauf war ich nicht vorbereitet.
Schließlich schaffe ich es, ihn zu beruhigen, und wir gehen baden. Ich hoffe, beim nächsten Versuch in drei Tagen vergisst er diesen Schreck …
Sonst läuft es mit dem Töpfchentraining ganz gut. Die ersten Tropfen landen am Boden, er sucht meinen Blick, ich setze ihn schnell aufs Töpfchen, er lässt den Harn laufen, während ich „sssssss“ mache. Danach steht er selbst auf und klatscht.
e) Der zweite Tag ohne Windel: im Stehen pinkeln
Am nächsten Tag geht es weiter. Allerdings mit dem Unterschied, dass er sich nun meldet, bevor er muss. Da er das Wort „Pipi“ gelernt hat, verstehen auch andere, wenn er aufs Töpfchen muss.
Nur zwei Mal landen die ersten Tropfen auf dem Boden. Ich bin soooo stolz auf ihn. Nach dem kleinen Geschäft gehen wir kurz raus und kommen wieder nach Hause, bevor das nächste ansteht. Heute üben wir Pinkeln im Stehen. Ich halte das Töpfchen vor ihn und er findet es lustig. So geht es auch schneller.
Eigentlich sollte ich zufrieden sein, aber irgendwie bin ich sehr skeptisch: Es muss doch einen Haken geben, alles läuft viel zu perfekt.
f) Der dritte Tag ohne Windel: die erste trockene Nacht
Am frühen Morgen des dritten Tages, als wir noch im Bett liegen, höre ich ihn nach dem Töpfchen verlangen und bin gar nicht begeistert. Da ich ihn die Nacht quasi durchgestillt habe, will ich nur schlafen. Mir ist alles andere egal und er hat sowieso die Windel an. Irgendwie schaffe ich es, ihn wieder zum Schlafen zu bringen. Als wir schließlich aufstehen – elf Stunden, nachdem ich ihm die Nachtwindel angezogen habe – ist er komplett trocken. Waaaaaas? Das Töpfchen ist randvoll!
Bevor wir spazieren gehen, biete ich ihm das Töpfchen an und er macht tatsächlich. Wow! Wir beobachten einen Hund beim Gassigehen: Wie er jede Ecke markiert, finden wir beide ziemlich lustig. Ich bleibe absichtlich länger draußen in der Hoffnung, dass er wieder muss und es wie der Wau-wau ohne das Töpfchen schafft. Aber er hält zurück und wartet lieber, bis wir zu Hause sind.
Heute landet kein einziges Mal Urin auf den Boden und daher ist er schon bereit für den nächsten Schritt: die Hose. Das klappt auch wunderbar.
g) Der vierte Tag ohne Windeln: wieder das große Geschäft
Der vierte Tag ist wieder der Tag des großen Geschäfts. Ich bin ganz nervös. Wie wird es werden? Was kann ich tun, um möglichen Problemen vorzubeugen?
Irgendwann wird er zappelig, läuft wie verrückt hin und her, ruft „Pipi“, will sich aber nicht hinsetzen. Ich stille ihn und singe was vor, er beruhigt sich, setzt sich aufs Töpfchen und macht problemlos sein großes Geschäft.
Er steht auf, sieht sein Geschäft und fängt an zu würgen, läuft weg und schnell wieder zurück, schaut noch einmal hin und erbricht. Tief durchatmen …
Ich bringe ihn schnell weg und lasse andere putzen. Nachdem ich ihn abgelenkt habe, ist die Sache wieder vergessen. Ich überlege einen Toilettentrainer zu besorgen. Vielleicht bekommt er keine Panik, wenn sein Geschäft direkt in der Toilette landet und er es nicht sieht.
h) Die weiteren Tage
In den nächsten Tagen läuft alles perfekt. Er trägt eine Hose, aber keine Unterhose. Er sagt „Pipi“, bevor er muss, manchmal sitzend, manchmal stehend. Er geht aufs Töpfchen, wenn ich ihn vor dem Schlafen oder Spazierengehen dazu auffordere. Dabei gibt es keine Unfälle und er macht das große Geschäft problemlos in die Toilette. Die Mittags- bzw. Nachtwindeln bleiben trocken.
Erst am siebten Tag schafft er es, im Stehen vor ein Gebüsch zu pinkeln. Ja, es ist kalt draußen, aber ich muss ihn nur ganz wenig ausziehen. Für ein paar Sekunden wird er schon nicht erfrieren. Seitdem hat er eine mächtige Waffe gegen das unendliche Sitzen im Kinderwagen. :D
Die einzige Zeit, in der ich sein „Pipi“ ignoriere, ist frühmorgens. Halb 5! Sorry, keine Chance. :-)
Die Nachtwindel bleibt trotzdem trocken, wenn er sie zur normalen Aufstehzeit auszieht. Nach etwa zwei Wochen kaufe ich Unterhose und Matratzenschutz. Der Übergang verläuft problemlos.
i) Das große Geschäft geht in die Toilette
Die Idee mit dem Toilettenaufsatz hat super funktioniert. Das Geschäft landet im Toilettenwasser und wird mit Papier bedeckt. So sieht er nichts und hat kein Problem.
Er findet das Geräusch super, wenn das große Geschäft ins Wasser plumpst. Danach will er selbst spülen und sagt fröhlich „Tschüss, Kacka!“ Er kann sehr gut unterscheiden, ob er groß oder klein muss und geht entsprechend zur Toilette oder aufs Töpfchen.
j) Unser Fazit zum Töpfchentraining
So wunderbar habe ich es mir nicht vorgestellt! Von wegen 10 Hosen pro Tag: Höchstens 1 Hose in 10 Tagen wurde nass! Und es gibt keinen Haken.
So schnell und einfach hat er meine geliebten Stoffwindeln verabschiedet. :-)
Wir sagen Tschüss!
Liebe Grüße
Sonja
PS: Anbei ein Bild von der letzten Stoffwindelwäsche.
Was für ein tolles Happy End! Danke, Sonja, für deinen mutmachenden Bericht.